Im Erstkontakt mit dem Patienten werden die bereits vorhandenen Vorinformationen aus Berichten oder aus im Team erfragten Informationen in einer kurzen Bettvisite daraufhin bewertet, ob der Patient vorraussichtlich testbar ist oder der Befund über eine Verhaltensbeobachtung erstellt wird. Verhaltensbeobachtungen werden bei allen Rating-Skalen zugrunde gelegt, z.B. in Koma Remissionsskalen oder ADL-Skalen. Diese Skalen sind aber nicht spezifisch für einen neuropsychologischen Befund entworfen worden und dienen daher nur unzureichend der Formulierung eines neuropsychologischen Erstbefundes. Daher wurde mit der Burgauer Verhaltensbeobachtung ein standardisierter Befundbogen entwickelt, der speziell auf Bereiche des neuropsychologischen Befundes eingeht. Der Beobachtungsbefund „Verhaltensbeobachtung“ besteht aus den Teilen
- Untersuchungsbedingungen - Koma-Remissions-Level - Wahrnehmungs-Level - Kognitives Verständnis - Testbarkeit/Syndrom
Untersuchungsbedingungen und Testbarkeit sind Rahmenbedingungen. Alle sechzehn Verhaltensaspekte der mittleren drei Teile werden in je 5 Werten kodiert, wobei mit „0“ nicht eine fehlende Leistung, sondern fehlende Beurteilbarkeit kodiert wird. Bei den Werten 1-4 wurden die Verhaltensleistungen in eine aufsteigends Reihenfolge geordnet, so daß eine beobachtete Leistung der Kodierung 1 „tiefer“ anzusetzen ist als eine beobachtete Leistung mit Kodierung 3 oder 4. Dadurch nähert sich die Verhaltensbeobachtung einer Verhaltensskala, wobei eine erste Überprüfung und Korrektur der Items zeigte, daß die Bewertungen 1-4 durchaus als Ordinalskala interpretiert werden können (und dann auch für Verläufe aussagefähig werden.). Die Burgauer Verhaltensbeobachtung /skala ist zur Zeit aber noch in der Erprobung und noch nicht validiert und statistisch überprüft. Dazu müßte eine größere Patientenstichprobe ausgewertet werden.
Die Burgauer Verhaltensbeobachtung ist in die Datenbank 1.9 und in die Berichtsmasken bereits eingearbeitet, die Formulare sind in einer PDF-datei ausdruckbar. Beiliegende Beispielberichte zeigen, wie die Verhaltensbeobachtung in Befundtexte eingehen kann.
Patienten der Frührehabilitation Phase B-C (aller Altersgruppen) nach schweren erworbenen Hirnschädigungen kommen entweder wach und belastungsgemindert oder in einem Remissions-Stadium nach längerem Koma (Phase A) zur Aufnahme. Selten sind Zustände des Vollbildes eines apallischen Syndroms. Für die Beurteilung der Remission nach Koma / schwerster Bewußtseinsstörung sind nach Poeck (1994, Neurologie) und Gerstenbrand (1967) vier Hauptspekte zu beurteilen
- Motorik (Streck-und Beugespastik) - Anormale Reflexe und spontane /ausgelöste Automatismen (Mund und Hände) - Blickverhalten und Bulbusstellung (Fixieren) - Erste Emotionen (u.a. vegetative Zeichen für Angst/Panik, Unmut/Widerwillen)
Diese vier Aspekte werden im Remissions-Level neben dem Kriterium „Wachheit“ beurteilt. Dabei sind vor allem emotionale Äußerungen (Angst/Panik,Unmut, Scham) nach Gerstenbrand als frühe Remissionszeichen zu interpretieren. Mit Remission ist hier das Wiederkehren kortikaler Informationsverarbeitung, d.h. Remission von Wahrnehmungsaktivität gemeint. Auf dem Wahrnehmungs-Level werden Leistungsstufen der Wahrnehmung allgemein, der Aufmerksamkeit und visuellen Exploration auf unterstem Niveau beurteilt. Auf dem Level kognitives Verständnis geht es um Verständnisleistungen zur Situation, Sprache /Kommunikation und Handeln, wobei hier die Kodierung 1-3 als Vorstufen für spontane Ausführungsleistungen der eigentlichen Fuktion zu interpretieren sind. Erreichen Patienten beim kognitiven Verständnis die Stufe 4, sind sie in der Regel auf dem untersten Niveau der Testbarkeit und können einfache verbale oder nonverbale Antworten auf Testvorlagen geben. Sie werden bei Testbarkeit mit 2 = testbar kodiert.
burgauer-vbeobachtung-2014.pdf
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